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Hause aus keinen Zugang zur Religion hatten, genießen das Miteinander
beim Gebet vor dem Essen oder im Gottesdienst, hat Elisabeth Warmers
beobachtet. Und noch etwas: Kinder, die schon früh Instabilität, Ablehnung
oder Verlust kennenlernten, erleben auch dank des Schwesternkonvents viele
verschiedene Menschen, die hier dauerhaft zusammen wohnen und nicht
nur beruflich mit ihnen umgehen – anders als in einem Kinderheim.
Rituale Im Advent
Dass der bethanische Geist hier Platz hat, ist auch der offenen Anlage des
Kinderdorfs zu verdanken, das der Architekt Gottfried Böhm entwarf und das
seit 2011 unter Denkmalschutz steht. Ausgehend von der Kirche als dörf-
lichem Zentrum sind die Gebäude mit viel Grün kreisförmig angelegt, öffnen
sich aber immer wieder mit Durchgängen und Querachsen: Sinnbild für
Schutz und Geborgenheit mit allen Möglichkeiten für gemeinsames Spielen
und Begegnen – auch mit Böhm, der sogar seine Diamantene Hochzeit in
„seinem“ Dorf feierte. Und weil zum Prinzip Offenheit auch die Begegnung
mit dem (noch) Fremden gehört, stellt sich das christliche Bethanien Kinder-
dorf der Herausforderung der zahlreichen unbegleiteten, meist muslimischen
minderjährigen Flüchtlinge: Jede Familie nimmt einen Jugendlichen auf, die
dann von einem speziellen Team betreut werden. Und dann sind da ja noch
die gemeinsamen Feste. Ob Geburts- und Namenstag, Fronleichnam oder
Erntedank: Gefeiert wird gerne im Bethanien Kinderdorf, und natürlich hat
auch jede Familie ihre eigenen Rituale im Advent. Den Heiligen Abend ver-
bringen traditionell alle Familien im Dorf, erst an den Tagen danach treffen
die Kinder ihre Angehörigen. Für ihr erstes Weihnachtsfest als Kinderdorffa-
milie tüfteln die Warmers noch etwas Besonderes aus. Das schönste
Geschenk macht Elisabeth Warmers ihren sieben Kindern aber täglich: „Wir
wollen den Kindern Sicherheit geben und eine Familie schenken!“
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Im Bethanien Kinderdorf Bergisch Gladbach gibt es neben
sieben Kinderdorffamilien drei weitereWohngruppen sowie
zwei Gruppen mit Tagesbetreuung, eine externe Mädchen-
wohngruppe und eine Heilpädagogische Trainingsklasse.
Eine familiäre Bereitschaftsbetreuung kümmert sich bis zu
sechs Monate lang um Notfälle. Insgesamt werden derzeit
117 Kinder und Jugendliche vom Baby bis zum 19. Lebens-
jahr betreut. Eine Dominikanerin ist derzeit als Kinderdorf-
mutter tätig. Regen Kontakt halten die Ehemaligen zu ihren
Müttern und dem Kinderdorf, das bei Gottesdiensten und zu
Veranstaltungen auch offen ist für Gäste.
Die Ordensgemeinschaft der Dominikanerinnen von Betha-
nien wurde 1866 von Dominikanerpater Johannes Josef
Lataste in Frankreich gegründet. Die Schwestern sehen sich
als eine Gemeinschaft von Frauen, die ungeachtet der bis-
herigen Lebensgeschichte jeder einzelnen gleichberechtigt
zusammenleben. Der Name bezieht sich auf den biblischen
Ort Bethanien, an dem drei Geschwister mit unterschiedli-
chen Lebenswegen zusammenfanden. Der deutsche Zweig
der Dominikanerinnen von Bethanien betreut heute vor
allem die drei Bethanien Kinderdörfer, begleitet aber auch
straffällig gewordene Frauen und Jugendliche sowie Frauen
in Krisensituationen. Die Kirche von Gottfried Böhm im Kin-
derdorf ist tagsüber für jeden geöffnet.
Marcel
fühlt sich in
„seiner“ Familie sichtlich wohl.
Die Schwestern kümmern sich sehr
um die Kinder. Hier ein Blick in die
Nähstube.