Adventszeit 2016 - Erzbistum Köln - page 37

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Warmers, die Geduld für die wichtigste Voraussetzung hält. Mit einem
Lachen erinnert sich die 27-Jährige, dass bei ihren Freunden erst einmal
Erklärungsbedarf bestand, auch als sie ihren Entschluss in einem soge-
nannten „Anwärterjahr“ mit Probeeinsätzen schon einem Belastungs-
test unterzogen hatte. Heute kommen Freunde und Familie gerne zu
Besuch ins Dorf, das immer offen ist für Gäste. Mit ihrem Mann war sie
sich einig über die ungewöhnliche Familienplanung, die eigenen Nach-
wuchs nicht ausschließt. Der 32-Jährige arbeitet als Tischler außerhalb
des Dorfs und unterstützt seine Frau ab dem Nachmittag. In die Vater-
rolle wächst er jetzt hinein. „Die Kinder haben ja alle noch ihre leib-
lichen Eltern und sollen den Kontakt zu ihnen auch pflegen, soweit das
möglich ist“, sagt Warmers, dessen männlicher Rat zum Beispiel gerade
in Sachen erste Freundin gefragt ist.
Starke Gemeinschaft
Mutter und Vater, eine intakte Familienstruktur, Wärme, Geborgenheit
und einen normalen Alltag, in dem gekocht und eingekauft, zusammen
gegessen und auch mal etwas friedlich ausdiskutiert wird – all das
haben die Kinder nicht erlebt, die bis ins Erwachsenenalter im Kinder-
dorf bleiben werden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Drogen- oder
Alkoholsucht der Eltern, Missbrauch, Gewalt oder totale Überforderung.
„Herzlich willkommen!“ steht nun in Nummer 5 auf einem bunten Bild
an jeder Tür. Fast alle Kinder haben ein Zimmer für sich. Hier können sie
nach Kindergarten oder Schule mal eine Weile alleine sein, bevor es am
Nachmittag mit Hausaufgaben, Spielen, Nachhilfe, Therapie, Musik oder
Sport wieder rund geht. Auch die junge „Kido“-Mutter Elisabeth, die die
Kinder einfach bei ihrem Vornamen nennen, kommt nur mal zur Ruhe,
wenn sie sich Zeit nimmt für ein einzelnes Kind, vorliest oder erzählt. Das
hat sie in den turbulenten ersten Familienmonaten schon gemerkt. Und
sie ist dankbar für die starke Gemeinschaft im Kinderdorf. Denn hier hel-
fen sich nicht nur die Mütter gegenseitig, auch die anderen pädago-
gischen Fachkräfte und das unter Leitung von Martin Kramm mit Herzblut
agierende Verwaltungs-Team unterstützen die Familien jederzeit.
Spirituelles Miteinander
Vor allem aber ist der Name der Dorf-Gründerinnen Programm: Die
Ordensgemeinschaft der Dominikanerinnen von Bethanien bezieht sich
auf den biblischen Ort der Begegnung dreier sehr unterschiedlicher
Geschwister. Das 1968 in Bergisch Gladbach gegründete Kinderdorf ist
das jüngste von dreien in Deutschland. Zehn Dominikanerinnen leben
hier mit ihrer offenen, herzlichen Art den christlich-bethanischen Geist
und signalisieren „Ich bin da!“.Wer Lust hat, darf zum Beispiel wie Mar-
cels leibliche Schwester Amelie in Schwester Helgas „Nähstübchen“
gleich zum Kissennähen ran an die Maschine. „Der Kontakt mit den
Dominikanerinnen ist sehr wichtig“, sagt Elisabeth Warmers, „viele
waren ja auch selbst Kinderdorfmutter und wissen, wovon man spricht!“
Auch das Spirituelle spielt eine große Rolle: Selbst Kinder, die von zu
Schwester Angela
,
Schwester Monika
und
Schwester Quirina
(von links).
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