Sommerzeit 2016 - Erzbistum Köln - page 17

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wohnen 17 Jugendliche mit unterschiedlichen
Störungsbildern in zwei Wohngruppen auf
dem Meierhof. Die konzeptionelle Idee dahin-
ter: Leben, Wohnen, Arbeiten, Therapie und
Betreuung unter einem Dach in einer länd-
lichen, naturnahen Lebenswelt.
Nue Berufswahl
„Bevor ich hier anfing, habe ich noch nie mit
Menschen mit Behinderung oder psychischen
Störungen gearbeitet. Ich wollte eigentlich
Grundschullehrerin werden. Doch ich bin an
meiner Aufgabe so gewachsen, dass ich mich
entschieden habe, nach Ablauf des Freiwilligen
Sozialen Dienstes Sonderpädagogik zu studie-
ren.“ Gerne erinnert sich Clara Fröhlich daran,
wie ein Reitschüler mit autistischer Störung
das erste Mal in die Reitstunde kam. Zurück-
gezogen, ohne ein Wort zu wechseln, saß er
steif im Sattel. „Ich dachte, ich würde niemals
an ihn herankommen. Aber jetzt singt er wäh-
rend der Reitstunden und wirkt locker und
entspannt. Letztens hat er mir sogar zugeru-
fen: ‚War schön heute‘! Das war ein großar-
tiges Gefühl für mich.“ Ein Schnauben, ein
Wiehern – fast meint man, die Vierbeiner wür-
den ihre kleinen Reiter genauso herzlich
begrüßen. „Pinkas hat bald Geburtstag und
wird 24 Jahre alt. Ich habe schon etwas für ihn
gebastelt!“ Verraten, was es ist, möchte
Patrick nicht, nur Clara hat er sich anvertraut.
Es soll schließlich eine Überraschung werden.
Die Freiweilligen Sozialen Dienste (FSD) im
Erzbistum Köln vermitteln Stellen für ein
Freiwilliges Soziales Jahr und den Bundes-
freiwilligendienst. Das Freiwillige Soziale
Jahr ist eine Möglichkeit, eigene Talente und
Fähigkeiten zu entdecken und sich für ande-
re einzusetzen. Die Freiwilligen Sozialen
Dienste begleiten die Freiwilligen und för-
dern sie individuell. Der Einsatzort richtet
sich nach den jeweiligen Interessen der
jungen Menschen. Über 1000 Freiwillige
machen derzeit mit dem FSD als Bildungs-
träger einen Freiwilligendienst im Erzbis-
tum Köln.
Mehr zum FSD unter: fsd-koeln.de
„Pinkas Ohren sind zu groß, die kann ich ihm
nicht zuhalten. Außerdem mögen Pferde das
nicht“, weiß der Neunjährige und streichelt
sanft über das braune Fell. Die gleichmäßigen
Bewegungen des Tieres schaukeln den Jungen
in dem großen Sattel hin und her. Hier oben zu
sitzen, bedeutet ihm alles. „Ich freue mich
immer wie verrückt auf die Reitstunde. Es ist
das Tollste für mich“, gesteht er.
Vertrauen und Verantwortung
Auf das Sommercamp des Meierhofs freut sich
Clara Fröhlich besonders. Bei der Ferienfreizeit
für Kinder mit Behinderung ist das ganze Mei-
erhof-Team im Einsatz. Kinder, die normaler-
weise im Rollstuhl sitzen, genießen den
leichten Schritt des Pferdes. Kinder, die sonst
nicht reden, finden hier ihre Sprache. „Sind sie
zuvor noch ganz stumm, machen sie auf dem
Rücken des Pferdes plötzlich mmmh. Und
daraus wird dann manchmal auch ein
Marsch“, erzählt Marietta Schulz, die das Reit-
therapeutische Zentrum Meierhof leitet. „Ent-
scheidend für die Menschen, die zu uns
kommen, ist die Ruhe des Pferdes – nicht
seine Höhe“, weiß sie. Für sie ist die Verant-
wortung gegenüber der Schöpfung erklärtes
Ziel – und das in vielerlei Hinsicht. „Kommen
die Kinder und Jugendlichen das erste Mal auf
den Hof, sind die meisten zunächst erst einmal
zurückhaltend. Doch mit dem Vertrauen
wächst auch die Verantwortung, die sie für die
Tiere übernehmen“, so Schulz. Die Pferde pfle-
gen, satteln, die Boxen ausmisten – das alles
gehört dazu und gibt den Kindern und Jugend-
lichen das Gefühl, gebraucht zu werden. „Bin
ich gut zu dir, bist du es auch zu mir“,
beschreibt Marietta Schulz das Konzept. „Es
muss sich ein Dialog zwischen Pferd und Rei-
ter entwickeln.“ Bei Patrick und Jan hat das
funktioniert. In Pinkas und Jack scheinen sie
vierbeinige Freunde fürs Leben gefunden zu
haben – und in Clara ein echtes Vorbild.
Was Clara Fröhlich auf dem
Holzpferd vormacht, ahmen die
Kinder auf den Pferden nach.
Auch die Hufpflege
übernehmen die Kinder.
Dadurch soll die Verantwortung
für das Tier gestärkt werden.
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